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Reportagen

Ein wahres Multitalent: Denise M'Baye

Viele kennen sie aus der ARD-Serie „Um Himmels Willen", in der sie von 2009 bis 2020 die Novizin Lela spielte. Dabei wartet Denise M'Baye mit einem ganzen Kaleidoskop an Talenten auf. So überzeugt die Schauspielerin und Mutter von zwei Kindern auch als erfolgreiche Sängerin, Yogalehrerin, Podcasterin und Botschafterin für soziale Projekte. Ein Besuch bei Hannovers facettenreicher Künstlerin. 

Zur Person:

Denise M'Baye wurde 1974 im Wendland in Dannenberg geboren. Ihre Mutter ist Deutsche, Ihr Vater stammt aus dem Senegal. 1994 machte sie ihr Abitur in Hannover, wo die 48-jährige heute noch mit ihrer Familie lebt. Bekannt wurde die Schauspielerin durch zahlreiche Theater-, Serien- und Filmrollen sowie als Sängerin auf diversen Bühnen dieser Welt.

Mit strahlenden Augen und einem warmen „Herzlich willkommen!" öffnet sie die Tür ihrer Calenberger Altbauwohnung. Hier lebt die Schauspielerin und Sängerin zusammen mit ihrem Sohn und ihrem Mann. Tee, Kaffee, Kekse und Obst stehen bereits auf dem großen Holztisch der geräumigen Küche und verheißen einen gemütlichen Vormittag in einer rundum gemütlichen Wohnung. „Ich kombiniere gern Altes mit Neuem", sagt Denise M'Baye. Die Stühle seien vom Sperrmüll und neu lackiert. An den Wänden hängt ein gekonnter Mix aus Fotografien, selbstgemalten Bildern ihres Vaters mit afrikanischen Motiven, moderner Kunst aus aller Welt, dazwischen historische Marienbilder: „Zwar bin ich nicht sehr gläubig, aber ich liebe dieses Motiv mit Maria und ihrem Kind im Arm." Aus dem Esszimmer wurde in der Corona-Zeit kurzerhand ein Fitnessstudio: Ein Boxsack, ein Rudergerät, Yogamatten und ein Balance-Board regen zum Bewegen an.

Von einem Dreh zum nächsten

Denise M'Baye ist viel unterwegs. Kaum sind die Koffer ausgeräumt, steht schon wieder das nächste Konzert, Filmfestival oder der nächste Dreh an. Für die Serien „Notruf Hafenkante" und „Die Rosenheim Cops" etwa oder für „The Ordinaries": ein Film über das Filmsein und den Alltag von Filmfiguren, der im Frühjahr in die Kinos kommt: „Ich bin sehr stolz, Teil dieses Films zu sein, der bereits mit mehreren Preisen ausgezeichnet wurde." In der ARD-Serie „37 Sekunden", in der es um sexuellen Missbrauch in einer Beziehung geht, überzeugt sie als ernsthafte Anwältin, ebenso wie in lustigen Szenen, etwa als Frau mit Liebeskummer in der Netflix-Komödie „Die Liebeskümmerer". Letztendlich hat jede Figur Anteile, mit denen sich die Schauspielerin identifizieren kann. Die Musik kam dagegen in letzter Zeit etwas zu kurz, bedauert die Sängerin. „Ich habe jetzt wieder einige Popsongs geschrieben, da ist aber immer auch ein bisschen Black Music, Hip-Hop und Soul drin. Durch die Plattensammlung meiner Mutter bin ich einfach so sozialisiert."

Hannoverliebe, Familie und Kioskkultur

Als sie drei Jahre alt war, zog ihre Mutter mit ihr nach Hannover, in eine 1-Zimmer-Wohnung in der Südstadt mit einem kleinen blauen Balkon. Kurze Zeit später wechselten sie in den Stadtteil Linden, mit dem sie sich bis heute sehr verbunden fühlt. Als die Schauspielerin hier mit 21 Jahren in ihre erste eigene Wohnung zog, war sie bereits mit ihrer Tochter schwanger, die heute 27 Jahre alt ist.

Wäre es bei ihrer Karriere nicht vorteilhafter, in einer Großstadt wie Berlin zu leben? „Weil ich viel in Bewegung bin, ist es für mich wichtig, eine gute Basis zu haben. Ich brauche Erdung, ein Zuhause, Freunde und meine Familie um mich herum." Mit Jan, dem an der Universität arbeitenden Doktor der Philosophie, ist sie seit 28 Jahren liiert. Neben den Menschen, die ihr vertraut sind, liebt sie an unserer Landeshauptstadt, dass alle Wege mit dem Fahrrad erreichbar sind, die vielen grünen Räume, die Kioskkultur und auch das Unprätentiöse der Hannoveraner: „In Berlin wollen sich alle immer besonders anstrengen, um gesehen zu werden. Hier in Hannover sind die Leute sehr lässig und brauchen kein Schickimicki."

„Ich bin ’ne Niedersächsin.“

Ein Problem mit der kulturellen Identitätsfindung habe sie trotz der unterschiedlichen familiären Wurzeln nie gehabt. Es passiere ihr dennoch immer mal wieder, dass sie zum Beispiel gelobt werde, wie toll sie Deutsch spreche, und die Antwort, dass sie aus dem Wendland komme, nicht akzeptiert werde. Menschen mit migrantischem Hintergrund hätten oft das Problem, als „anders" dargestellt zu werden. „Es gibt einen philosophischen Begriff dafür: ‚Othering'." Der bezeichnet den Prozess, sich und sein soziales Image hervorzuheben, indem man Menschen mit anderen Merkmalen als andersartig, also „fremd" einstuft oder stereotypisiert.

Dadurch werde es einem schwerer gemacht, sich in der eigenen Kultur oder im eigenen Raum entspannt zu bewegen. Für die Hannoveranerin gibt es immer noch Räume, in denen sie sich als schwarze Frau unsicher fühlt. Umso mehr sollte das Zuhause ein sicherer Hafen sein: „Wenn wir in die Welt schauen, ist dieses Grundbedürfnis für so viele Menschen nicht gegeben." Sie wünsche sich, dass ein angemessener Wohnraum für alle zur Verfügung steht und vor allem bezahlbar ist. Die Sicherheit, die eigene Räume bieten, sollte sich über die eigenen vier Wände hinaus ausweiten, ins ganze Haus, Viertel, in die Stadt, in der wir leben.

„Ich bin 'ne Niedersächsin, vom ersten Herzschlag bis zum letzten", sang sie auf der Geburtstagsgala anlässlich des 75. Geburtstages des Landes am 19. Oktober 2021 in Berlin: Ihre Neuinterpretation des Niedersachsenliedes ist eine echte Liebeserklärung an ihre Heimat.

Lampenfieber? „Ja, kenne ich gut", lacht die sympathische Künstlerin ohne Starallüren. „Bevor ich auf die Bühne gehe, habe ich immer große Angst und denke, ich kann das nicht." Sobald sie dann aber auf der Bühne steht, merke sie, dass sie etwas transportieren kann. „Man kann mich anknipsen." Dass diese Frau eine unglaubliche Präsenz und etwas zu vermitteln hat, fiel bereits vor über 25 Jahren auf.

Funky Town – der Anfang einer Karriere

Als Schülerin wirkte sie an einem Jugendprojekt namens „Funky Town" mit. Das war der Zeitpunkt, an dem sie als junges Talent merkte, dass sie das beruflich machen möchte. Im Anschluss an diese Produktion gab es ein Vorsprechen am Schauspielhaus. Es folgten Engagements in Theaterproduktionen. Da sie nicht nur spielen, sondern auch singen konnte, wurde die Abiturientin von der hannoverschen Band Jazzkantine engagiert, mit der sie auf Tour ging. 2002 veröffentlichte sie zwei Soloalben und war seit 2003 mit vielen namenhaften Musikern auf Bühnen in aller Welt unterwegs. Eine Schauspielagentur für Film und Fernsehen vermittelte sie 2009 an die erfolgreiche Serie „Rote Rosen" und gleich im Anschluss an „Um Himmels Willen". Zwar sei es ein großer Luxus, elf Jahre lang in einem festen Cast zu sein und regelmäßig Einkünfte zu erzielen, „aber ich hing da auch ein bisschen fest." Als die Serie 2021 nach zwanzig Jahren abgesetzt wurde, war dies auch eine Chance, um sich den vielen neuen Projekten zuzuwenden, die bereits in ihrem Kopf herumschwirrten.

Podcasts als Passion

„Ich liebe Drehtage, in denen ich voll ausgelastet bin." Manchmal sei sie aber auch gestresst, wenn sie zum Beispiel keine Zeit für ihr Herzensprojekt, den Podcast hat. „Zum Ausgleich mache ich Yoga oder stelle mich auf mein Balance-Board. Ich meditiere, treffe Freundinnen und koche gern. Das ist es, was mich entspannt und runterbringt." Ihr Mantra: „Wenn du Zeit sparen willst, geh langsam." Daraus entstehen dann schnell wieder neue kreative Projekte, wie der Podcast „Und du so?", indem sie Interviews mit Schauspielerinnen führt. In „Die kleine schwarze Chaospraxis" spricht sie mit der hannoverschen Autorin und Moderatorin Ninia LaGrande über Gott und die Welt.

Gerade habe ein Produzent angefragt, ob sie als Autorin für Kinder- und Jugendhörspiele schreiben wolle. Der hatte zuvor ihren Podcast „Camil aus dem Zweiten" auf Spotify gehört, den sie während der Corona-Zeit in ihrem Schlafzimmer produziert hatte. Darin erzählt sie die alltäglichen Geschichten eines Kindes, das mit seiner alleinerziehenden Mutter im zweiten Stock einer städtischen Altbauwohnung lebt. „Ich erzähle diese Geschichte genderneutral, damit sich alle Kinder darin wiederfinden, auch die, die sich mit keinem der beiden Geschlechter ‚männlich und weiblich' identifizieren können." Bei den Geschichten geht es zur Abwechslung mal nicht um die klassische Bullerbü-Romantik, die über ein Leben berichtet, das so ganz weit weg ist von der Realität vieler Kinder, auch ihrer eigenen Kindheit.

Hier geht's zum Podcast.

Botschafterin für „German Dream“

Als Wertevermittlerin von „German Dream", einer bundesweiten Bildungsinitiative, wirbt Denise M'Baye für Demokratie, offene Gesellschaften und Diversität. Mit der Initiatorin Düzen Tekkal ging sie in Linden zur Schule. Im Rahmen von „German Dream" besucht Denise M'Baye heute Schulen, um dort über Diskriminierungserfahrungen zu reden. „Auch wenn viele Kinder im Alltag von Diskriminierung und Rassismus betroffen sind, ist es wichtig, dass sie hoffnungsvoll nach vorn schauen und an sich glauben."

Trotz all ihrer Tätigkeiten strahlt Denise M'Baye absolute Ruhe und pure Lebensfreude aus. Sie hat die Gabe, sich auf vielen Bühnen des Lebens zu Hause zu fühlen, ein echtes Multitalent eben.

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