Bezahlbarer Wohnraum ist wichtig, aber knapp. Aufsichtsrätin Sieglinde Lohrey-Harré bezieht Stellung zur gesellschaftlichen Verantwortung von spar+bau und erklärt, warum die Investitionen in Neubauten wichtig sind.
spar+bau hat in den vergangenen Jahren viel in Neubauten investiert. Überspitzt gefragt: Braucht die Genossenschaft diesen neuen Wohnraum?
Um ein stabiles Ergebnis zu erwirtschaften und die zugesagte Dividende in Höhe von vier Prozent jährlich an die Mitglieder zu zahlen, brauchen wir den neuen Wohnraum sicher nicht. Das ist mit einer soliden Bestandspflege und -bewirtschaftung sowie Modernisierungen möglich. Aber: Wir haben uns schon vor mehr als zehn Jahren damit auseinandergesetzt, welche Art von Wohnungen zukünftig nachgefragt werden und ob wir diesen Bedarf aus dem Bestand decken können. Daraus ist ein langfristiges Investitionsprogramm entstanden.
Die Situation am Wohnungsmarkt in der Region Hannover ist seit Jahren angespannt. Unser Ziel ist, Wohnraum zu angemessenen Preisen einer breiten Schicht der Bevölkerung zur Verfügung zu stellen. Damit übernehmen wir gesellschaftliche Verantwortung. Aus dieser Selbstverpflichtung, dem satzungsgemäßen Versorgungsauftrag und dem genossenschaftlichen Gedanken ist die Frage also eindeutig zu beantworten: Ja, die neuen Wohnungen werden gebraucht.
Für welche Mitglieder beziehungsweise welche Personenkreise wird dieser neue Wohnraum errichtet?
Wir bieten nahezu jeder Interessentengruppe entsprechend der jeweiligen Lebenssituation geeigneten Wohnraum. Und: Wir arbeiten aktiv an der Entwicklung von Stadtteilen sowie Quartieren mit. Gesellschaftliche Veränderungsprozesse beeinflussen natürlich auch die Wohnungswirtschaft. Wir berücksichtigen sowohl die Einkommensstruktur potenzieller Mieter als auch den Wunsch, dass Menschen im Alter so lange wie möglich in ihrem häuslichen Umfeld bleiben möchten.
Die sich daraus ergebenden Arten von Mietwohnungen zeigen sich in aktuellen Projekten: Im Vitalquartier an der Seelhorst entstehen 50 moderne und barrierearme Einheiten. Durch die hervorragende Infrastruktur ist dort generationsübergreifendes Wohnen für Menschen mit und ohne Handicap möglich. Sicheren, bezahlbaren und qualitativ guten Wohnraum bieten wir im Buchholzer Grün und in Kronsrode an. Zudem kommen wir unserer gesellschaftlichen Verpflichtung nach, indem jeweils 25 Prozent davon öffentlich gefördert sind.
Individualisierung hat zu einer steigenden Vielfalt an Familienmodellen und Lebensstilen geführt. Ist das auch beim Wohnen erkennbar und wie stellt sich spar+bau diesem Trend?
Die zunehmende Individualisierung und Singularisierung hat zur Folge, dass mittlerweile in Städten mehr als 40 Prozent der Haushalte aus einer Person bestehen. Treiber dieser Entwicklung sind nicht nur steigende Studentenzahlen in den Universitätsstädten. Auch der Anteil der Singles wächst kontinuierlich. Dadurch werden traditionelle Lebensformen wie die Familie durch Lebensstilgruppen ersetzt. Für das Produkt Wohnung waren bisher Größe, Preis und Lage relevant. Das wird jetzt durch weiche Faktoren wie verfügbare Serviceleistungen, Kommunikationsangebote und Qualität des Quartiers ergänzt.
Für uns ist dieser Gedanke des Mit- und Füreinanders nicht neu. Wir fördern seit Langem nachbarschaftliche Aktivitäten und bieten diverse Dienstleistungen im Alltag an. Für die Bedürfnisse der Haushalte reicht das sicher noch nicht. Vielleicht gewinnen auch periphere Standorte mehr an Attraktivität. Damit werden auch wir uns in den kommenden Jahren verstärkt auseinandersetzen müssen.