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Reportagen

Inspirierend mutig

Als Pionierin wagte sich Holly Becker mit ihrem Blog decor8 in unsichere Gewässer – und begeisterte nahezu zwei Millionen Menschen.
Titel-Foto: Patrick Runte

Geometrische Formen, passepartoutlose Glasrahmen, Rattandeko, Wände in Beige und Nude: Ihr Büro am Lister Platz mutet genauso an wie ihr neues Einrichtungsmagazin, das ihren Namen trägt. Der Weg hierher war für Holly Becker aber alles andere als geradlinig. Eine mutige Erfolgsgeschichte.

Es ist das Jahr 2006. Die Bostonerin Holly Becker will unbedingt für ein US-Magazin über Designtrends schreiben. Den Begriff „Social Media" kennt noch niemand, Instagram und Pinterest sollen erst in vier Jahren erfunden sein und starten. Hauptberuflich bloggen? Wird belächelt. Alle Zeitschriften, bei denen Holly Becker sich bewirbt, lehnen sie ab, weil sie keine journalistische Ausbildung oder Erfahrung vorweisen kann. „Ich war wütend und dachte: Okay, dann schreib' ich jetzt einfach ein Jahr lang jeden Tag meinen Blog (decor8) und rufe dann wieder an, um ihn als Arbeitsprobe zu zeigen." Ihre Idee funktioniert: Die Redakteurin des Magazins liest decor8 regelmäßig begeistert, Holly Becker bekommt das Angebot, für die Onlineversion der Zeitschrift zu schreiben.

Seitdem regnete es für sie unterschiedlichste kreative Jobs: Sie arbeitete für Magazine, schrieb, nachdem sie der Liebe wegen nach Hannover zog, „Dekorieren", das erste Buch einer Bloggerin in Deutschland und hat mittlerweile rund 119.000 Follower auf Instagram und mehr als 1,2 Millionen auf allen anderen Kanälen inklusive ihres Blogs. Zudem gibt die Pionierin in ihren Onlineschulungen „Blogging your way" ihr Wissen weiter. Sie freut sich, dass sie den Weg für unzählige weitere Blogger geebnet hat und ist stolz. „Ich habe mit Igor Josifovic zusammengearbeitet, der mit Urban Jungle bekannt wurde. Und mein erstes Buch inspirierte Delia Fischer, als wir 2011 aufeinandertrafen." Sie hat nun mit Westwing einen großen Design-Onlineshop aufgebaut.

Helle Farben, persönlicher Stil

Moodboards sind der erste Schritt bei Holly Becker, um ihren Designern ihre...

Ihren eigenen Stil bestimmen vor allem helle Farben, warme Töne, Holz und Naturmaterialien. „Es ist Holly-Style! Das bin einfach ich. Eine Mischung aus Scandi-Style, Kalifornischem Boho-Style und Einflüssen vom West-Londoner Vintage-Flohmarkt", erklärt sie. Da sie in South Carolina in der Nähe des Strands aufgewachsen und zum Studieren nach Boston gezogen ist, wurde Holly Becker sowohl durch den Süden als auch durch den Norden geprägt. „Amerika ist ein sehr großes Land, es herrschen verschiedene Stilrichtungen. In New York sind kleine Appartments cool und große Lofts im Industriestyle eingerichtet. L.A. ist vom Boho-Style geprägt, aber auch sehr modern und extravagant. Chicago-Style ist klassisch."

Ihr eigener Stil hat sich in den vergangenen Jahrzehnten verändert. „Mein Stil ist von meinem Wohnort und den Dingen, zu denen ich Zugang habe, beeinflusst. Wir hatten in Boston im Winter sehr viel Schnee. Da habe ich mit Rost- und Brauntönen dekoriert. Das Licht war dort sehr golden." Seit 2009 lebt sie mit ihrem Mann Thorsten in Hannover-List. „Hier ist das Licht eher blau. Dadurch wirkt die Einrichtung viel kühler. Deshalb steuere ich mit Nude- und Beigetönen an den Wänden dagegen. Generell nutze ich hier kein richtiges Weiß, sondern immer ein Cremeweiß." Stil entsteht aber nicht ganz plötzlich, sondern entwickelt sich über die Zeit.

Zuhause ist für sie ein Ort, den sie mit Familie und Freunden teilt, und an dem unzählige Erinnerungen hängen. „Als mein Sohn Aidan vor sechs Jahren geboren wurde und wir aus der MHH nach Hause kamen, habe ich ihm jeden Raum gezeigt und gesagt: Das ist dein Wohnzimmer! Und so weiter ... So etwas vergisst man nie!"

Jeder Raum braucht einen Wohlfühlplatz

Für die Interior-Designerin ist ganz klar, welches Must-have nicht nur jede Wohnung, sondern jeder Raum haben sollte: einen persönlichen Wohlfühlplatz! Es kommt nicht darauf an, dass der komplette Raum durchgestylt ist, am wichtigsten ist: „Ein Platz muss besonders gemütlich sein für dich. Bei mir ist das ein Sofa im Wohnzimmer, auf dem sitze ich immer ganz links. Ich kann meine Beine langstrecken und mich mit meinem kleinen Sohn einkuscheln. Im Esszimmer gibt es einen besonders bequemen Stuhl, der am Ende des Tischs steht, auf dem ich gern beim Arbeiten sitze."

Obwohl die Einrichtung im Hause Becker schön aufeinander abgestimmt ist, gibt es bei ihr auch total Unstylisches, das sie einfach nicht wegtun kann: zum Beispiel ihre Hello-Kitty-Spardose. „Die hatte ich schon mit acht. Sie erinnert mich an meine Kindheit. Man braucht solche Andenken, da ist es mir egal, was die Leute darüber denken." Bei ihr darf auch mal etwas rumliegen. „Ich lege viel Wert auf Sauberkeit. Aber ich stelle meinen Teller nicht immer sofort weg. Das nervt meinen Mann", schmunzelt sie. Und auch ihr sechsjähriger Sohn darf seine Spielsachen in allen Räumen ausbreiten, solange er abends wieder klar Schiff macht.

Inspiration aus der Lieblingsstadt

Die Bloggerin hat einen klaren Favoriten in Sachen Stadt: „Paris – auch wenn das sehr klischeehaft ist. Dort bekomme ich in kleinen Läden und Cafés die beste Inspiration für neue Trends, die ich dann sechs bis zwölf Monate später auch hier sehe. Ich liebe aber auch Kopenhagen, Hamburg, Berlin und Hannover." Sie zeigt nach draußen. Durch die Fensterfront blicken wir auf die Häuserfassaden in der Bödekerstraße und die dahinterliegende Lister Meile. „Hier habe ich alles."

Hollys Blog

decor8 – dem Blog von Holly Becker folgen Hunderttausende.

Mit decor8 (decorate, auf Deutsch: dekorieren) startete die Bostonerin 2006 – mittlerweile hat sie mehr als 500.000 Follower. Mit Tipps rund um Einrichtung, Dekorieren und Wohlfühlen inspiriert sie Hunderttausende täglich, darüber hinaus ermutigt sie viele, selbst den Schritt ins Bloggerdasein zu wagen.

DECOR8BLOG.COM

INSTAGRAM: @DECOR8

"Holly" liegt ab Anfang April im Zeitschriftenregal

"Holly" liegt ab Anfang April im Zeitschriftenregal.

Holly Becker liebt es, Neues zu probieren, und riskiert gern etwas. Ihre aktuelle Herausforderung: „Mein eigenes Magazin." Das richtet sich an alle, die ein schnelles Update über neue Trends, Ideen und Tipps benötigen – und ebenso an alle, die bereits auf dem Laufenden sind. Sie sollen das Magazin aufschlagen und sagen: „Wow, ich habe davon noch nie gehört und sowas noch nie gesehen!" Eine spannende Aufgabe für Kreativdirektorin Holly Becker, die jede Story für das Magazin persönlich auswählt, das seit 2019 viermal im Jahr erscheint. Die neue Ausgabe liegt druckfrisch in den Regalen der Kioske.

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